Freitag, 10. März 2006

No. 9

Kapitel 9.

… und alles rannte, drängt nach vorn. Keiner wollte zurückbleiben. Es war ein Stoßen und Reißen, „Nur nichts überstürzen, meine Herrschaften“, Roth fiel es sichtbar schwer die Menge im Zaum zu halten. Ein Lechzen und Gieren, wie sie sich Tieren gleich vorwärts drängten. Schon so nah schien der Wald, doch gerade wenn die ersten dachten das schützende Dickicht zu erreichen, schien dieses wie von Zauberhand gelichtet, sich nur ein paar Schritte weiter erst zu schließen.
„Wer steht, geht ein, wer bleibt wird Stein. Wir waren, sind und werden Bewegung bleiben. Stillstand ist der Tod. Wir können nur lebendig sein wenn wir uns regen“. Die Menge gurgelte und schmatzte, die Meute blies zum Sturm. Worauf ? Der Tobsucht anheim fallend, das Wilde soll Gesetz uns sein, wer stirbt ist tot, was sollen wir trauen, die Zeit vorbei, vorbei, der Wind bläst Asche übers Land, vorbei, vorbei, wir sind nur Staub der Sterne wird.
Und kaum mehr sichtbar, einen Hügel im Hintergrund betretend, der Marionettenspieler ihrer Lüste, Lechnamm sah unberührt ihrem Treiben zu. Das war sein Werk, er hatte sie getrieben, gelenkt und manipuliert. Dieser Moment war sein Orgasmus. Er ejakulierte in ihre Hirne, fickte ihren Geist. Ständig verlangten sie nach mehr, wie toll schrieen sie ihre Lust hinaus. „Was hält uns auf?“, „Wer soll uns bremsen?“. Ein einzig Keuchen entrang sich hundertfach ihren Kehlen.
Nur weiter, weiter, kein Stillstand, kein Stillstand.
Diese Hampelmänner der Zivilisation, wie hatten sie sich gesehnt nach diesem Moment des Fallens und Loslassen. „Etikette, was ist Etikette?“. Nun nicht mehr länger Sklaven ihrer Lethargie, ihr Phlegma war ein Warten. Sie wollten frei sein, Tier sein, generationenlang eingepfercht in ihren Kerker aus Regeln. Nur weiter, weiter. Hinein, hinaus. Im Schlamm sich suhlen, all die Produkte ihrer Entwicklung, nur Traum, Illusion. Sie waren Tiere, schlimmer noch, sie waren Menschen.
„Sieh nur“, Lechnamm, Meister ihres Rausches, „sieh nur, wie sie sich gehen lassen. Und ach wie glücklich sie nun sind. Vergessen als ihr Leid, die Tränen, ihr Lachen stirbt und schafft sie neu, sieh nur zu und sieh was jeder ist. Wie sie die Lefzen lecken, die Zähne reiben. Wie sie sich beugen und kriechen, so echt wie nie. Der Traum ist aus, die Realität holt sie ein. Nur ein Wimpernschlag hat sie getrennt, vom was sie sind und seien wollten, vom was sie waren und seien werden“.
Es stockte ihm der Atem, als er begriff, die Lage aussichtslos, kein Hollywoodfinale, nichts wird gut ausgehen, wer steht wird sterben, wer liegt ist längst tot. Tumb wie Lämmer, blökten sie ihren Urschrei hinaus.
Nur einmal Kraft, nur einmal Teil des Ganzen sein, und alles fühlen. Kein Augenblick die Gefahr gewahr, es würde ihnen die Kehle sprengen, das Herz die Brust zerreißen, sie fassen nach dem All und alles soll ihr Untergange sein. Nur einen Finger an die Sonne legen, nur einen Moment der Galaxien Staub sein, einen Augenblick lang nichts und alles sein, in allem und um alles.
Die Nacht erbrach die Stille.
In Watte eingepackt, in Zeitlupe die Münder weit geöffnet, so stürzten sie und drängten vorwärts. Mag sein, dass manche wussten was sie erwarten würde, es war egal … „Nach vorn, nach vorn, nicht ich möchte der letzte Sein“, das Credo ihres Unterganges.
Und hämisch lächelnd, die Sterne kalt funkelnd, die Kälte der Nacht sein Umhang seiend, stand Lechnamm und ergötzte sich an ihrem Treiben.
„AUS !“, ein Wort, so leise gesprochen, es hätte der Wind am Ohr nur säuseln können.

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